Wednesday, February 11, 2009

ZarCosy hat gesprochen

…zwei Stunden lang. Wer sich schon immer gefragt hat, warum um alles in der Welt sämtliche Sender ihren Zuschauern (oder was davon übrig ist) um Karneval dasselbe Programm antun und das über Stunden hinweg, der hat noch nie ein Interview des französischen Staatspräsidenten erlebt. Ich sage deshalb erlebt, weil die Vorstellung sehr weit über eine banale Fernesehsendung, die man sich mal eben ansieht, hinausgeht.

1. Akt : Die Wahl der Moderatoren
Ein Moderator oder eine Moderatorin ist eine Person, die ein Gespräch lenkt, vom Lateinischen « moderare » = mässigen, steuern, lenken. Soviel zur Theorie. Im französischen Fernsehen hat ein Moderator hingegen ganz andere Funktionen.
Zum einen muss er die beteiligten Sender repräsentieren. In dem Fall TF1, den größten Privatsender Frankreichs, der zur Buygues-Gruppe gehört, die neben Baustellen und Handys eben auch Fernsehen macht und dessen Präsident, der seinen Posten von seinem Vater geerbt hat, zu den besten Freunden des Präsidenten der Republik gehört. Schon schwindelig ? Es kommt noch besser. TF1 hat seit Menschengedenken die Vormachtstellung der 20-Uhr Nachrichten inne. Selbige werden seit etwa 30 Jahren von den gleichen Moderatoren (da haben wir sie wieder) präsentiert : Claire Chazal am Wochenende, Patrick Poivre d’Arvor unter der Woche. Die beiden haben einen inzwischen erwachsenen Sohn. Davon hat die Öffentlichkeit aber erst erfahren, als selbiger die Volljährigkeit erreicht hatte. Der Vater des Sprösslings, die unangefochtene Nummer 1 des französischen Nachrichtenbusiness, hat im letzten Jahr den Präsidenten interviewt, mit Madame (also mit seiner Kollegin, versteht sich). Dabei hat er sich etwas weit aus dem Fenster gelehnt, den Präsidenten als « kleinen Jungen » bezeichnet, der auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm ganz aufgeregt gewirkt habe weil er endlich mit den Grossen spielen durfte. Das war zwar eine sehr zutreffende Beschreibung aber ZarCosy fand das leider gar nicht witzig. Und so kam es, dass dieses Urgestein eines Nachrichtensprechers mir nichts Dir nichts durch was Jüngeres ersetzt wurde.

Die Auserwählte trägt den wohlklingenden Namen Laurence Ferrari, ist jung, sehr blond und stand mal eine Weile auf der Liste der Kandidatinnen, die ZarCosys Exfrau Cécilia ersetzen könnten ziemlich weit oben. Und ja, man macht auch keinen Hehl daraus, dass der Elysée-Palast PPDA (wie man Patrick Poivre d’Arvor auch nennt) loswerden wollte und das der ebenselbe Elysée-Palast Laurence Ferrari vorgeschlagen hat. Ganz unverbindlich natürlich, man würde sich ja um Himmels Willen nie in die Geschäfte einer privaten Gruppe einmischen. Laurence Ferrari war also da, um TF1 zu repräsentieren.

Zum anderen wurde das Interview auch von den öffentlichen Sendern ausgestrahlt, namentlich von France 2. Dessen Nachrichtensprecher nennt sich David Pujadas, hat eine Frisur wie ein Rugby-Helm und nimmt es gerade Marktanteilsmäßig mit Laurence Ferrari auf, deren Zuschauer reihenweise zur Konkurrenz abwandern. Das Wort Konkurrenz ist aber in dem Zusammenhang ein ganz klein Wenig Irre führend. ZarCosy hat nämlich eine Empfehlung seines Kumpels Martin Buygues (wir erinnern uns? Der mit den Baustellen, den Handys und mit TF1) überreicht bekommen, nach der die Werbung der öffentlichen Sender ab 20 Uhr abgeschafft werden soll. Selbige wurde dann auch flugs umgesetzt. Genau genommen scheint unser Überpräsident eines schönen Tages ein Wenig knapp an Themen für eine einberufenen Pressekonferenz gewesen zu sein, woraufhin einer seiner Berater die besagte Empfehlung erwähnte, die der Chef dann auch sogleich als Entscheidung verkündet hat: das Staatsfernsehen wird reformiert. Nicht einmal seine zuständige Ministerin war informiert, macht aber nichts, der Chef kümmert sich selbst drum, sie darf ausführen. Und weil wir gerade dabei sind wurde auch gleich noch entschieden, dass zukünftig der Intendant der öffentlichen Sender France Télévisions auch von ihm höchstselbst ernannt werden wird. So ganz korrekt fand man das zwar nicht aber was soll man auch tun? Damit hatten wir zwei der „Lenker“ definiert.



Ein weiterer privater Sender, M6, will sich demnächst auch mit einer 20-Uhr Nachrichtensendung schmücken und schickte den idealen Schwiegersohn vor. Guy Lagache ist um die 30, hat eine vorwitzige out-of-bed-Frisur, moderiert derzeit ein Magazin am Sonntagabend und soll wohl der Sprecher der neuen 20-Uhr Nachrichten werden. Als Neuling im Geschäft der seriösen Nachrichten war von ihm nicht viel kritische Fragestellung zu erwarten.

Zu guter Letzt durfte auch ein Radiosender dran. RTL ist Marktführer der sehr gefragten Morgensparte und verfügt über gleich zwei geeignete Kandidaten: Alain Duhamel, der schon Mitterrand und Chirac bei ähnlichen Auftritten befragen durfte und den Politikexperten Jean-Michel Aphatie. Letzterer vereint spitzbübischen Charme mit messerscharfem Verstand und versteht es meisterhaft, die politischen Gäste des „Grand Journal“, eine abendliche Sendung des Bezahlsenders Canal+, mit seinen in original südfranzösischen Dialekt gestellten Fragen in die Enge zu treiben. Also zumindest für französische Verhältnisse. Wen es interessiert, sein Blog ist hier. Der wurde also – wir dachtens uns fast - nicht zum Präsidenten geschickt. Stattdessen also Duhamel, mit dem sich der Prinz zugleich in die illustre Reihe seiner Vorgänger begeben konnte.

2. Akt: Die Wahl des angemessenen Rahmens
Nun könnte man denken, der geeignete Rahmen für eine derartige Befragung wäre ein Fernsehstudio, wahlweise auch ein neutrales, extra zu dem Zwecke angepasstes Museumsgebäude oder ähnliches. Mitnichten. Natürlich bewegte sich der gesamte Tross mit Kameras, Licht, Fernsehstudio-Tischen, Publikum (sic!) in den Elysée, wo ZarCosy das Volk großzügig empfing. Im Hintergrund jahrhunderte alte, schwere und beeindruckende Vorhänge vor meterhohen Fenstern, die französische und europäische Fahne dezent hinter dem Präsidenten postiert. Selbiger saß auf der geraden Seite des Dreickstischs, ihm links gegenüber Ferrari und Pujadas, rechts gegenüber durften sich einer nach dem andere Duhamel und Lagache postieren, die Kamera natürlich immer in der Mitte, frontal zum Objekt der Begierde. So ist man das im Staate gewohnt, so wurde es schon immer gemacht und ZarCosy kann noch so lange über „rupture“ reden, gewisse Dinge fasst man dann doch lieber nicht an. Wo kämen wir denn da hin wenn sich der moderne Monarch tatsächlich zum (Fernseh-)Volk herab begeben würde? Am Ende würde sich einer erdreisten, eine kritische Frage zu stellen? Dach dazu kommen wir jetzt.


3. Akt: Die Choreographie – also das Interview selber
Das Interview mit dem Staatspräsidenten hatte zum Teil schon beinahe komische Momente, alleine schon aufgrund des starren Ablaufs.
Erster Teil: Ferrari und Pujadas stellen einführende Fragen. Der Präsident antwortete. Das klang sehr einstudiert aber was anderes hatte man ja auch nicht erwartet.
Zweiter Teil: Guy Lagache nimmt auf der rechten Seite des Tisches Platz. Auch er stellt Fragen, erstaunlicherweise wirken die fast natürlich, so unbeholfen wie er versucht, nicht sonderlich beeindruckt zu wirken.
Dritter Teil: Guy Lagache verlässt den Präsidententisch und nimmt wieder unterm Publikum Platz (ja, selbst unter Journalisten gibt es Rangunterschiede), Alain Duhamel darf am Präsidententisch Platz nehmen. Wer da noch nicht eingeschlafen ist darf weitere Fragen hören, die ebenso einstudiert wirken wie die davor. Selbst die vermeintlich provokante letzte Frage nach Quellen aus dem Elysée selber bezüglich der Kouchner-Affäre, die das Magazin Nouvel Observateur aufgetan haben will, wirkte irgendwie einstudiert. Die Antwort war dafür umso erhellender: statt einer Antwort gab es nämlich nur den Hinweis, ein Magazin, das angeblich von einer sms des Präsidenten an seine Exfrau erfahren habe (in der er ihr vor seiner Hochzeit mit Carla Bruni angeboten habe, alles zu annullieren wenn sie nur zurückkäme), sei ohnehin nicht ernst zu nehmen. Wir reden hier allerdings vom NouvelObs, eine Institution der französischen Mediengesellschaft, nicht ganz mit der Bildzeitung zu vergleichen. Eher schon mit dem Spiegel. Jedenfalls war das der wohl aufschlussreichste Moment der gesamten Veranstaltung: eine erschreckend deutliche Demonstration des Unwillens ZarCosys, eine freie Presse zu akzeptieren und der Unfähigkeit ihrer Vertreter, die Freiheit und Unabhängigkeit dieser Presse durchzusetzen.
Im vierten Teil nahm auch Duhamel wieder seinen Platz im Volk ein und Pujadas und Ferrari stellten ein paar abschließende Fragen. Eine davon drehte sich sogar um die Reform der öffentlichen Sender und die Ernennung ihres Präsidenten durch den Staatschef. In seiner gewohnt süffisanten Stimmlage erklärte der Präsident dem Journalisten Pujadas, der ja ganz offensichtlich gar nichts verstanden hatte, was Sache ist, dass nämlich der Präsident von France Télévisions mit 3/5 der Stimmen des Parlaments gewählt werde (womit die Opposition plötzlich ein Stimmrecht in der Sache hätte). Tatsächlich kann das Parlament die Nominierung mit einer 3/5-Mehrheit nur verhindern und die Mehrheit sollen sie mal suchen. Wir wollen kulant sein und gehen davon aus, dass der Präsident sich nur irrte, statt bewusst die Unwahrheit zu verbreiten aber wie dem auch sei: die Wahrheit traute sich niemand zu sagen, man hätte ja den Präsidenten berichtigen müssen und bei seiner allseits bekannten Affinität zu Kritik fürchtete wohl mehr als einer um seinen Posten. Danach war die Sache jedenfalls endlich überstanden.

Epilog
Der Präsident ließ uns wissen, dass er Frankreich gerade durch „ die schwerste Krise seit einem Jahrhundert“ führt (aha? Und 1929??). Wie genau, darüber denkt er noch nach, jedenfalls soll Frankreich „so spät wie möglich“ in die Krise schlittern und so früh wie möglich wieder raus. Und ich dachte, wir seien schon mittendrin???
Am Tag drauf veröffentlichten zwei Tageszeitungen Umfrageergebnisse zur Sendung.
Laut „Le Parisien“ hat der Präsident 36% der Zuschauer überzeugt. Laut „Le Figaro“ waren 53% der Zuschauer vom Präsidenten überzeugt. Nicht dass Le Parisien besonders links wäre aber zumindest der Figaro pflegt eine notorische Hofberichterstattung.
Was die „Lenker“ anging: da lag ganz offensichtlich ein Missverständnis vor. Die deutsche Berufsaufassung eines Journalisten, einen Regierungschef gnadenlos auszuquetschen bis der Austausch an ein Duell grenzt geht natürlich sehr viel weiter als „lenken“. Die französische Art und Weise hingegen lenkt nicht, sie konstruiert Steilvorlagen, die der Präsident dann genüsslich ausnutzen darf.

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