Tuesday, December 30, 2008

Februar - Luis, eine Soutenance und Irrungen des französischen Schulsystems

Anfang Februar bekam ich Neues von der Kinderfront zu hören. Nadjas Fratz wuchs, lernte seine damals noch fehlenden Haare mit Charme auszugleichen (clevere Taktik, sollte er für spätere Zeiten aufbewahren) und ich bekams nur auf Fotos mit. Ich war nämlich damit beschäftigt, diesen unsäglichen Master zu bekommen.

Die Geschichte dazu beginnt Ende 2006. Da wurde mir klar, dass man mit einem schnöden Diplom in Frankreich nicht sehr weit kommt. Ein handelsübliches Diplom gilt nämlich als Bac +4 (also Abi + 4 Jahre Studium). Würde natürlich in Deutschland nicht funktionnieren, da hätten ja 90% aller Studenten ratz fatz Bac + 7. Um einen brauchbaren Job zu bekommen sollte man aber schon über Bac +5 verfügen. Zumindest wenn man irgendwann vorhat, die Stufe der Assistentin zu verlassen.
Also habe ich mich auf die diversen Listen gestürzt, die von ziemlich dubiosen Verbindungen herausgegeben werden und die festlegen, welche Schule denn welchen Rang, ergo welche Bedeutung und schliesslich welchen Preis hat. Selbige Listen erstellen sich aus Befragungen der ehemaligen Schüler, die natürlich grosses Interesse daran haben, ihre jeweilige Schule so hoch wie möglich zu platzieren. Das Ergebnis variiert dann von kostenlos (die Unis, aber wer es vermeiden kann geht natürlich nicht an die Uni, auch nicht an die Sorbonne) bis 20.000€ pro Jahr. Sprich: je mehr Kohle, umso gut. Soviel vom Ideal des republikanischen Bildungssystems. Jeder kann Bildung bekommen, er muss es nur zahlen können.

Ob günstig oder teuer, man muss sich bewerben. Mit einer Bewerbungsmappe und einem Scheck (geht schon los). Dann folgt ein schriftlicher Test, gerne englisch und zu guter Letzt ein persönliches Gespräch. Ziel der Übung ist einen von vornherein möglichst homogenen Jahrgang zu bekommen. Die halten später besser zusammen, schustern sich bessere Jobs gegenseitung zu, was wiederum den Alumni-Zirkel aufwertet, der seinerseits die Schule aufwertet, was zu mehr Bewerbungen führt, die zu mehr Ansehen, selbiges zu höheren Studiengebühren und so fort. Weil aber jetzt die Welt dann doch in den vergangenen Jahren enger zusammengerückt ist, ist es heftig in Mode, einen gewissen Ausländerbonus pro Jahrgang zu haben, wenn schon Englisch vollkommen optional ist. Selbiger ist mir wohl zugute gekommen. Sonderlich passend in dem Kreis der Söhnchen und Töchterchen von kam ich mir jedenfalls nicht vor.
Die Kurse fanden also 2007 alle 2 Wochen Freitags und Samstags statt, waren mässig interessant, manche auch vollkommen sinnfrei ("Alle Banken haben immer blau als dominierende Farbe in ihren Corporate Design" - ganz so wie die Sparkassen, die Société Générale und die BNP...) aber andere recht lustig. Englische Improvisation zum Beispiel. Wie bringt man verwöhnte Gören dazu, sich mit englisch zu beschäftigen wenn sie eh null Bock drauf haben? Argumente ziehen nicht, obwohl sie zum erklärten Ziel erkoren haben, in einer französischen (bitteschön!!) "multinationale" arbeiten zu wollen. Aber so lange die multinationale französisch ist braucht man keine Fremdsprachen, auch wenn selbige multinationale ihr Geschäft vornehmlich in China macht. Spielerisch ging dann schon was aber der versprochene "hohe" Anteil an englisch-sprachigen Kursen ist auf einen einzigen (laut beschimpften, weil: es versteht ja keiner was) zusammengeschrumft.
Am Ende steht eine "Thèse", eine Art Magister-oder Diplomarbeit und eine "soutenance", also die mündliche Prüfung dazu. Jeder Schüler wurde von einem Tutor aus dem Kreis der Lehrer "betreut", zumindest theoretisch. Praktisch begrenzte sich unsere Betreung auf eine copy/paste e-mail bei der unsere Betreuerin auch noch bei manchen die Vornamen verwechselte. Wenn man eine Frage hatte, konnte man sicher sein, keine Antwort zu bekommen. Ich selber wurde mehrfach (der Nachteil von copy/paste an alle) mehrfach nach dem Vorankommen meines Praktikums, und nach den Fortschritten meiner Arbeitssuche gefragt. Blöd nur, dass ich zu dem Zeitpunkt weder ein Praktikum machte, noch auf Arbeitssuche war, was ich ihr in meiner ersten Antwort auch ausführlichst geschildert habe. In der zweiten Antwort hab ich ein copy/paste gemacht.
Meine thèse behandelte die Krisenkommunikation von Siemens während der Kleinfeld-Ära. Ein zugegeben sehr unfranzösisches Thema, da die Geschichte hier niemanden sonderlich interessierte. Ohne Hilfe meiner Tutorin verfasst, im Dezember 2007 abgegeben und dann ward nichts mehr gehört. Bis zur soutenance im Februar 2008. Die lange Zeit zwischen Schlussprüfung im Oktober, Abgabe der Arbeit und mündlicher Prüfung dient der Statistik: eines der Kriterien, nach der sich der Spitzenplatz auf diesen Schul-Listen richtet, ist der Anteil der Schulabgänger, die zum Zeitpunkt der Diplomübergabe schon einen Job gefunden haben. Dehnt man den Zeitpunkt des Endes der Kurse bis zur Diplomüberreichung aus, erhöhen sich natürlich die Chancen, dass die Jungs und Mädels in der Zwischenzeit was finden. Nach meiner Präsentation anlässlich der soutenance eröffnete mir meine Tutorin, dass es ein Problem mit meiner thèse gäbe, da ich sie nicht in den vorgeschriebenen drei Teilen verfasst hätte. Was stimmte. Ich hatte ganz deutsch Kapitel gemacht. Mir wurde also eröffnet, ich müsse sie neu schreiben und dieses mal die drei Teile berücksichtigen: Fragestellung/Problematik, theoretischer Teil und Schlussfolgerung. Mein verdutzter Einwand, alle drei Komponenten seien in meiner Arbeit enthalten, sogar in der erforderlichen Reihenfolge, nur eben in Unterkapitel unterteilt, hat sie sogar zugegeben, galt aber nicht. Also habe ich "umgeschrieben": an dem Text erfolgte nicht die geringste Änderung, nur die Unterkapitel flielen weg und wurden durch die drei verlangten Kapitel ersetzt. Da ging die Arbeit ohne Probleme durch. Soviel zu "form follows function".

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