Friday, January 2, 2009

August - Gazelles, Ragbrod, wieder Hochzeit


Anfang August war es dann so weit: unser erster gemeinsamer Sommerurlaub. Das Ziel war bis zur letzten Sekunde nicht ganz klar, die Kriterien schon: raus aus Frankreich, warmes Wetter und bezahlbare Preise. Also Marrakesch eine Woche. Der Club Med erwies sich als genau das Richtige für uns: Entspannung pur, keine Diskussion um wer wieviel zahlt (weil es war schon alles bezahlt und das bisschen Extra kostete tatsächlich fast nichts), 
genug zu entdecken, dass man sich nicht langweilt, aber eben auch ein brauchbarer Pool an dem man einfach nur herumliegen kann.
Unsere Anlage war die alte, aus den 70ern, mitten in der Medina. Das richtig alte Club-Feeling: viele Einzelzimmer mit Betten die dennoch problemlos zwei Personen aufnehmen, sollte man sich beim Aperitif näher gekommen sein. Zudem Zugang zur neueren Anlage in der Palmeraie. Da wir qua spätem Aufsthehen am ersten Tag (der Ruf desMuezzins hatte uns natürlich die ersten beiden Nächte aufgeweckt) keine Chance auf eine Poolliege in unserer Anlage hatten, haben wir den Shuttle Bus in die Palmeraie genommen. Wo unser Club noch den Vorteil seiner zentralen Lage aufweisen kann, wird in der Palmeraie nur noch geklotzt: zwei Pools, ein Golfplatz mitten in der Wüste, sämtliche denkbare Sportaktivitäten, hunderte von Gästen gleichzeitig...too much von allem, vor allem too much Animation. Wer sich bei dem Geplärre über die Lautsprecher am Pool noch erholen kann arbeitet wohl in der Stanzerei bei Peugeot? Der wahr gewordene Alptraum eines Club-Med-Gegners. Am "ruhigen" Pool, der natürlich auch viel kleiner aber daür geruhsam unanimiert war, ergatterten wir uns eine Liege, in der Mittagssonne, schlürften unsere ersten all-inclusive Gin Tonics, holten uns einen tierischen Sonnenbrand (der Schatten war restlos belegt) und waren mächtig zufrieden mit uns und der Welt.
Am Abend trafen wir unsere Club-Mitbewohner: Familien mit Kleinkindern, pubertierende Gö
ren, schwule Pärchen und Patrick Chirac. Patrick Chirac ist das Synonym für einen bestimmten Typ Urlauber: Goldkette, getönte Haare, Klamotten aus den 80ern. Er fährt immer zur gleichen Zeit an den gleichen Ort, kennt dort ergo jeden und das seit etwa 20 Jahren. Die anderen Urlauber wechseln, oft vielleicht auch die Clubverantwortlichen, die Animateure sowieso, Patrick Chirac bleibt. Der Club wird quasi zu seinem Terrain, auf dem wir auch mal spielen dürfen. Er grüsst jeden als würde er ihn kennen und wenn man nicht aufpasst, erklärt er einem die Freundschaft. Club-Med-Patrick-Chiracs halten sich auch strikt an die Kleidervorschriften: am Montag ist Jeans und weiss angesagt, am Dienstag rot und schwarz und so weiter. Das wird an den Aushängen angekündigt und die Leute richten sich erstaunlicherweise lammfromm danach.
Kaum tritt man aber vor die wuchtige Tür des Clubs ist man mittendrin im Getümmel der Jamâa el Fna, dem UNESCO-geschützten Hauptplatz, der jeden abend ab 17h zum Karneval erwacht. Riesengetümmel, Affen die auf Schultern springen, Schlangen, Kartenleger und Handleser, Zigarettenverkäufer und Grillschuppen unter offenem Himmel. Überall Geschubse und Geschrei, alles in einer dicken Rauchschwade, die einen vollkommen die Orientierung verlieren lässt. Aber das ist gerade 
die Magie dieses Platzes und macht ihn wohl für Touristen so attraktiv. Der Ausflug auf die Jamâa el Fna sollte zum festen abendlichen Programmpunkt werden, man sieht sich einfach nicht satt.Weiterer Höhepunkt natürlich die Souks. Einen Führer wollten wir nicht bezahlen (wir haben schlechte Erfahrungen mit von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten gehetzt werden), also alleine auf ins Gewühl. Ob die charmante gazelle nicht einen Schal kaufen will. Oder Ohrringe. Oder Seife. Oder Schuhe. Natürlich haben wir uns verfranzt und natürlich haben wir auch zwischendurch halb verzweifelt einem Jungen 10Dirham gegeben, damit er uns wieder zurück bringt aber das gehört wohl dazu. Viel beängstigender war ein Typ im Barcelona-Trikot, der uns als verirrte Touristen erkannt hatte (Kunststück, wir waren weit und breit die einzigen nicht Marokkaner), uns seine "Hilfe" anbot, und der uns trotz Ablehnung stur kilometerweit verfolgte. Am dritten Tag hatten wir aber auch hier den Dreh langsam raus und wurstelten durch die Souks als wären wir dort aufgewachsen. Es wurde also Zeit, ans Feilschen zu denken. Ich musste natürlich ständg kichern weil mir die Szene auf Life of Brian einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte - realistischer als man das von Monty Python denkt: die haben bestimmt nur aufgeschrieben, was sie im Souk in Marrakesch erlebt haben. Eine belgische Club-Bewohnerin, die gerade dabei ist einen Riad zu renovieren, empfahl uns, 30% des verlangten Preises anzubieten und dabei zu bleiben. Wenn der Händler nicht drauf eingeht, gehen. Sollte es tatsächlich zu niedrig sein, wäre die Sache damit erledigt aber im Regelfall folgen sie einem mit einem besseren Angebot. Es funktionnierte. Ähnliches Prinzip bei den Kutschen: die Türsteher im Club Med sagten, das kostet uns 100Dirham (etwa 10 Euro), die Kutschfahrer wollten 500Dhs. Gerade am Umdrehen, als einer uns gütig "aber nur weil die Gazelle so charmant ist" einen alten Kutscher mit nicht älterer Kutsche und altem Gaul zuwies "aber nur weil er so grosszügig ist". Als wir auf der Hinterbank Platz genommen hatten entdeckten wir die offizielle Preisliste, auf arabisch und auf französisch. Aber bis man dahin kommt hat man im Regelfall den Preis ja schon verhandelt. Unser armer Gaul (im wahrsten Sinne) zuckelte also durch die brütende Hitze - wir wollten Hitze, wir bekamen sie - zwischendurch gab's einen Abstecher zum Kundendienst (also dem Hufschmied). Nachmittags zurück zum Pool. Jerome fand einen neuen Freund: "Hallo" - "Hi" - "Wie heisst Du?" - "Jerome, und Du?" - "Salim. Wie alt bist Du?" - "32, und Du?" - "7". Vielleicht nicht für's Leben aber immerhin überdauerte sie den Nachmittag am Pool.
Sommerwochen in Paris sind unfassbar langweilig, vor allem wenn man arbeiten muss natürlich. Wie schon erwähnt verdünnisieren sich alle Franzosen, die es sich leisten können und Urlaub bekommen (und das sind geschätzt 80%) im Sommer für mindestens 3 Wochen in den Urlaub. Die meisten natürlich nach Südfrankreich. Ergebnis ist, dass diejenigen die nicht während der Sommerferien in Urlaub fahren, sondern arbeiten an Langeweile zugrunde gehen. Das erwies sich als Vorteil für uns weil nämlich inzwischen in der Wohnung ordentlich was voran ging: das Bad war fertig, die Küche sah endlich benutzbar aus, zwischendurch verbrachte Khalifa 1 geschlagene Woche unter unserem Boiler, der uns lange Probleme gemacht und schliesslich ganz im Stich gelassen hatte. Ein Ersatz ward schnell beschafft, dann lagen aber erstmal ein paar Tage 2 Boiler bewegungslos in der fast fertigen Wohnung herum.

Um dem traurigem Schicksal pariser Arbeiter im Sommer und den frustrierenden nicht-Fortschritten zu entkommen flogen wir wieder weg, dieses mal auf ein langes Wochenende nach Göteburg, einen Studienfreund von Jerome besuchen. Die Tickets erstanden wir dank unserer Flying Blue Karten, Übernachtung ganz unschwedisch bei Nico und seiner schwedischen Freundin. Wir haben nämlich gelernt, dass Schweden nur äusserst selten Besucher in ihr allerheiligstes Heim hineinlassen. wir kamen in diesen Genuss wohl überhaupt nur weil Nico eben noch kein 100%iger Schwede geworden ist. Dafür haben sie ausgesprochen viele Cafés , Restaurants und Bars wo man sich trifft. Wir trafen einen weiteren alten Studienfreund, den die Schwangerschaft seiner schwedischen Freundin nach Schweden verschlagen hat, zum Nachmittagskaffee, eine Tradition. Dort erfuhren wir, dass die Mutter seines Sohnes Jerome noch immer nicht wiedersehen will, weil er sie im 9. Monat schwanger gefragt hat, ob sie denn zuviel McDonald's in letzter Zeit gegessen hätte. Der Witz kommt zugegeben aus der untersten Schublade aber der Sohn ist inzwischen 4. Nix zu machen. Ohne Sohn und ohne Mutter, leider auch ohne den zum Vater mutierten Studienfreund aber mit Nico und seiner Freundin gings auf Entdeckungstour um Göteburg herum. Niedliche Dörfer mit klischehaft schönen roten Häusern, ein Springturm und laue 25°. Kajak fahren in den Fjorden, dazu selbstgemachtes Picknick mit Ragbrod, also Vollkornbrot, und Lachs und Heringssalat. Leider hatte mein Kajak einen derartigen Rechtsdrall, dass ich mehr damit beschäftigt war, das Ding gerade zu halten als vorwärts zu kommen. Kraftraubend, anstrengend, nervend, ich war am Ende. Abflug am Tag drauf um 7.
Zum Glück hatten wir die Woche drauf beide frei. Die Wohnung war einige Tage später endlich bezugsbereit. Jerome fuhr nach Nimes, ich blieb um die Wohnung fertig einzurichten.
Kaum eine Woche später stand dann auch schon das nächste Grossevent an: Hochzeit von Vinnie in Belgien. Die "offizielle" Hochzeit hatte schon Ende Juli in Algerien stattgefunden, die standesamtliche noch davor in Belgien. Jetzt also die grosse Sause. Monate im Vorfeld hatte ich angefragt, ob Interesse an einem gemeinsamen Freitag abend in Brüssel besteht, zwecks Wiedersehen. Ja klar, gute Idee, dufte. In der Woche vorher: ja eigentlich passt's jetzt doch nicht so gut. Es wär' ja Stau zu erwarten am Freitag, und die Hochzeit sei ja auch erst Samstag. Nun, das war ja der Sinn der ursprünglichen Anfrage gewesen aber inzwischen werd' ich mich wohl dran gewöhnen müssen: wenn ich mich bewege bekommen wir schon was zusammen aber eben nur wenn das nicht zuviel Anstrengung von deutscher Seiter verlangt. Davon liessen wir uns die Laune nicht verderben, fuhren trotzdem Freitag nachmittag los (und hatten natürlich auch Stau), sangen laut und schief zu den Songs aus dem Radio mit und genossen einen netten Abend in Brüssel. Tags drauf trafen wir den Rest der Bande im Hotel, gingen ein Bier trinken, dann aufrüschen für die Feier und ab in Jonnys Auto zur Location. Auf dem Weg ein Becks aufgemacht, mir auf's Kleid gesabbert.


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